NABU – Ein Experte im Interview

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Ein Interview mit Dipl. Ing. agr. Franz-Wilhelm Ingenhorst (57), seit 1991 Leiter des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs des NABU Wesel & Sprecher des NABU-Landesfachausschusses Streuobstwiesenschutz.

van Nahmen: Lieber Herr Ingenhorst, Sie setzen sich nun schon fast 30 Jahre lang für die Streuobstwiesen am Niederrhein ein. Wie entstand diese Leidenschaft?
Franz-Wilhelm Ingenhorst: Ich komme aus Wesel, wo mein Vater eine kleine Spedition betrieb und regionale landwirtschaftliche Betriebe belieferte. Auf den Fahrten mit ihm lernte ich die Landschaft am Niederrhein kennen und lieben und fühle mich ihr bis heute eng verbunden.


VN: Welche Aufgabe haben Sie beim NABU Wesel?
FWI: Ich bin für die Koordination der praktischen Naturschutzmaßnahmen zuständig. Dazu zählt vor allem die Obstbaumpflege, denn ohne Pflege keine Erhaltung der Bäume und kein Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.


VN: Worin besteht im Kern gelungener Streuobstwiesenschutz? 
FWI: Wichtig ist vor allem die Pflege der Bäume! Ohne sie können die Wiesen nicht erhalten werden, ohne Nachpflanzungen hat der Lebensraum Streuobstwiese keine dauerhafte Perspektive.


VN: Was hat sich in der Zeit ihrer Tätigkeit im Obstwiesenschutz verändert?
FWI: Anfang der 1990er Jahre gab es viele alte Bäume, zum Teil aus der Zeit von vor dem 2. Weltkrieg. Dann gab es einige wenige junge Bäume, aber nur sehr wenige mit mittlerem Alter. Dieser ungünstigen Altersstruktur wurde seitdem durch die Aktivitäten des NABU und nicht zuletzt durch das seit 1994 gemeinsam mit der Privatkelterei betriebene Aufpreisprojekt entgegengearbeitet. Durch Nachpflanzaktionen wurde die Zahl der jungen Bäume deutlich gesteigert. Allein im letzten Winter orderten knapp 100 Privatleute, Landwirte und Kommunen im Rahmen der von uns organisierten Bestellaktion 1000 neue Obstbäume. Das war Rekord, in der Regel sind es 600-800 Bäume pro Jahr. Die durchschnittliche Zahl übersteigt aber die Zahl der aus Altersgründen abgängigen Bäume, so dass sich die langfristige Perspektive für den Erhalt und die Pflege der Streuobstwiesen verbessert hat. Auch der Ertrag wird künftig steigen.


VN: Wie alt werden Obstbäume?
FWI: Obstbäume können über 100 Jahre alt werden. Kirsch- und Pflaumenbäume werden nicht so alt wie Apfel- und Birnbäume. Generell gilt: Gute Pflege und guter Boden sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein hohes Alter.


VN: Wie unterstützen Sie die Obstbaumbesitzer?
FWI: Wir vom NABU sind beratend tätig. Gegen ein geringes Entgeld führen wir auch die Baumpflege durch.


VN: Wie entstand die Kooperation zwischen NABU und unserer Privatkelterei?
FWI: Ende der 1980er Jahre kam die Idee der Aufpreisprojekte auf. 1993 suchte ich im Namen des NABU das Gespräch mit Rainer van Nahmen, um ihn hierfür zu gewinnen. Wichtig für uns war es, einen Partner zu finden, der in größeren Mengen Obst aufnimmt und vermarktet, während wir uns dem Wiesenschutz und der Aufforstung widmen.


VN: Ist das Aufpreisprojekt ein „Zukunftsmodell“?
FWI: Es hat viel Gutes für die Zukunft unserer Streuobstwiesen beigetragen. Jetzt gilt es, darauf aufzubauen. Wichtig sind zwei Punkte: Erstens müssen die Auszahlungspreise ständig dem Markt angepasst werden, damit Obst zu ernten und abzuliefern weiterhin attraktiv bleibt. Zweitens brauchen wir eine Bildungsoffensive für fachgerechten Obstbaumschnitt und entwickeln derzeit Überlegungen zu einem Ausbildungsmodell auf Landesebene.


VN: Warum ist der Baumschnitt so wichtig?
FWI: Um Jahrzehnte lang Freude an einem Baum zu haben, bedarf es der sorgfältigen Anpflanzung, einem frühen Pflanzschnitt und in den ersten 8-15 Jahren einem jährlichen Erziehungsschnitt. Danach sind größere Intervalle möglich. Die beste Pflanzzeit ist Spätherbst und Winteranfang. Die spätere Pflanzung ist bis in den April hinein möglich, allerdings nur mit entsprechender Bewässerung.


VN: Was ist bei der Ernte zu beachten?
FWI: Die Früchte sollten gut ausgereift sein. Nur dann haben sie die volle Aromenvielfalt. Lässt sich ein Apfel leicht abknicken und hat bräunliche Kerne, dann ist er reif. Die Ernte sollte in mehreren Durchgängen durchgeführt werden, beginnend an der Südwestseite des Baumes.


VN: Lieber Herr Ingenhorst, verraten Sie unseren Lesern doch noch Ihre persönlichen Lieblingssäfte.
FWI: Mir schmeckt der einfache, naturbelassene Apfelsaft von Streuobstwiesen mit seiner Aromenvielfalt. Von den Sortenreinen ist die Rote Sternrenette mein Favorit.

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